Die Kunst, ein möglichst einfaches Thema auf besonders vielfältige, phantasievolle und virtuose Art zu verändern, war für Komponistys des 17. Jahrhunderts wesentlicher Bestandteil ihres Komponierens und Improvisierens. Sie orientierten sich hier an den rhetorischen Grundsätzen von Variatio und Repetitio, der Veränderung und Wiederholung von musikalischen Einheiten. Diese Prinzipien machten ihre Musik so außergewöhnlich sprechend und direkt.
Komponistys des deutschen Sprachraums bedienten sich hierbei zu gleichen Teilen der Virtuosität italienischer Organistys wie der Formsprache und Harmonik französischer Hofmusikys. Der daraus erwachsende vermischte Stil prägt noch die Musik Johann Sebastian Bachs, der als einer der wichtigsten Nachfolger und Vollender dieser Kunst gelten kann. Seine musikalischen Wurzeln werden in diesem Programm offengelegt.
Tiere waren ein bedeutender Bestandteil des Lebens an allen europäischen Höfen der frühen Neuzeit. Sie waren nicht nur Nutztiere, sondern konnten unterschiedlichste Funktionen einnehmen. Beispielsweise waren exotische Tiere, die exportiert wurden, ein wesentliches Zeichen für den Reichtum ihrer Besitzys. Über ihre symbolischen und repräsentativen Funktionen hinaus waren sie oft emotionaler Bezugspunkt für diese und es entwickelte sich gerade an Höfen das Bild vom Tier als bestem Freund des Menschys.
Neben ihrer Verewigung in zahlreichen Darstellungen der bildenden Künste wurden ihnen auch musikalische Denkmäler gesetzt. Insbesondere die Habsburgys und das französische Königshaus wünschten diese kunstvollen klingenden Charakterbilder. Dieses Programm führt an die Höfe der Habsburger in El Escorial und der Wiener Hofburg und besonders an den Hof von Versailles, an dem eine extrem reiche Tradition tierischer Porträts überliefert ist.
Der Orgel als Königin der Instrumente rechnet man gewöhnlich majestätisch-kraftvolle Klangfarben zu. Doch gelang es auch immer wieder Komponistys, ihre intimen und poetischen Fähigkeiten hörbar zu machen. Das Programm „Musicalische Poetereyen“ spürt diesen Klängen nach und verbindet dabei strenge Formen wie die einer Choralbearbeitung oder Fuge mit freien Charakterstücken. Das Dichten in Tönen spielt dabei eine besondere Rolle: Sprache und Gesang als Inspiration für das Instrument mit dem „ewigen Atem“ prägen die Musik von Bach, Schumann und Mendelssohn, aber auch Kurtág und Cage im besonderen Maße. Aus dieser erstaunlichen Vielfalt und Farbigkeit resultiert ein Kaleidoskop poetischer Klänge, das die Orgel in unterschiedlichsten Facetten erscheinen lässt.
Claude Viviers einziges, großdimensioniertes Orgelwerk Les Communiantes steht im Zentrum dieses Programms rund um das Thema Verlangen. Das von einem Gemälde von Louise Thibault inspirierte Stück steht in seiner ungebändigten Ausdruckskraft und seiner klanglichen Eigenständigkeit einzig dar in der Musik des 20. Jahrhunderts. Es verbindet auf äußerst ungewöhnliche Weise weltliche und geistliche Elemente und Assoziationen. So stellt es in sich selbst den ganzen Spannungsbogen des Instruments Orgel dar. Gespiegelter Ausdruck dieses Bogens sind die dem Werk zur Seite gestellten Kompositionen bedeutender französischer Organisten wie auch die Einleitung zu Tristan und Isolde, die der Orgel auf nochmals neue Art gänzlich ungewöhnliche Farben abgewinnt.
„J’ay pris amours a ma devise pour conquerir joyeuseté“ – Ich habe mir die Liebe zum Motto erwählt, um Freudigkeit zu erlangen. Dieser Beginn eines berühmten Chansons des 15. Jahrhunderts führt unmittelbar in die ausdrucksstarke Welt des Spätmittelalters. Die Verbindung von Strenge und Emotionalität charakterisiert die Kunst dieser Zeit, wie wir sie in den Werken beispielsweise Jan van Eycks oder Petrus Christus, aber auch in der Musik des Leuven Chansonniers und des Buxheimer Orgelbuchs finden. Häufig hinter höfischen Verhaltensmustern verborgen brodelt die Leidenschaft echter, spür- und fühlbarer Menschys, die in der Porträtkunst der Zeit ihren überragenden Wiederschein gefunden hat.
Mit einer zeittypischen und besonders farbenreichen Besetzung erkundet Siderea Musica die Klangräume des Buxheimer Orgelbuchs neu und macht sie kreativ für sich nutzbar. Dabei werden europaweit Verbindungen zu anderen Codices geschaffen, und ein Auftragswerk des Komponisten Alexander Bauer setzt einen zeitgenössischen Akzent.
Das Aufkommen des Pietismus im späten 17. Jahrhundert hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Musik nord- und mitteldeutscher Prägung. Komponistys wie Dieterich Buxtehude, Johann Adam Reincken und später auch Johann Sebastian Bach beschäftigten sich intensiv mit den Frömmigkeitsvorstellungen der neuen Glaubens- und Lebensausrichtung. Auch die Wiederentdeckung mittelalterlicher Mystikys wie Bernhard von Clairveaux und Arnulf von Löwen hinterließ ihre Spuren in Kompositionen dieser Zeit. Diese Hinwendung zu privater Frömmigkeit im kleinen Kreis spiegelt sich geradezu in den musikalischen Hauszirkeln, welche besonders in Hamburg führende Musikys zusammenbrachten. Einem solchen Zusammentreffen ist das Programm nachempfunden.
Die musikalischen Werke des Programms entstammen zu einem großen Teil der sog. Düben-Sammlung, die von Gustav und Andreas Düben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Stockholm angelegt wurde und die eine der größten Kollektionen der Musik dieser Epoche darstellt. Die Originale sind inzwischen vollständig online einsehbar. Eigens wurden neue Editionen der Kantaten und Instrumentalsätze sowie der Choräle des Freylinghausenschen Gesangbuchs erstellt.
Die besonders sprachbezogene und extrem ausdrucksstarke Musik Monteverdis ist Ausgangspunkt einer Entdeckungsreise durch die Musik italienischer Komponistys um 1600. Siderea Musica spielt diese Musik auf ganz besonderen Instrumenten der historischen Aufführungspraxis: Zu hören sind das ausschließlich aus Holz gebaute Organo di Legno von Walter Chinaglia, ein fünfsaitiges Violoncino mit reiner Darmbesaitung sowie verschiedenste Lauteninstrumente, die den Tenor Paco Garcia begleiten. Eine spannende Mischung großartiger Vokal- und Instrumentalmusik entführt in die italienischen Paläste der Medici und der Päpste.
Orlando di Lasso, der „Princeps Musicorum” – Fürst der Musikys, war fast 40 Jahre lang Mitglied der Hofkapelle der bayrischen Herzöge. Unter Albrecht V. hatte sich dieses Ensemble zu einem der bedeutendsten in ganz Europa entwickelt. Reiste der Herzog zu einem der zahlreichen Fürstentage, so war er immer von einer Entourage von Musikys umgeben, die dafür sorgten, dass sein Kunstsinn aller Welt bekannt wurde. Lasso hat seinen Herzog auf vielen dieser Reisen begleitet. Aus Berichten ist bekannt, dass insbesondere kleinere Ensemble-Besetzungen bei solchen Reisen fantasievoll eingesetzt wurden. Sie musizierten Madrigale, Motetten, Messen und Chansons, ungeachtet der ursprünglichen Instrumentierung in farbenreichen Neueinrichtungen.
Siderea Musica unter Robert Selinger hat sich diese Praxis zum Vorbild genommen und entdeckt so die großen Meisterwerke Orlando di Lassos in einem ganz neuen Klanggewand wieder. Orientiert an der Idee virtuoser Solistys, die Lasso in seiner Kapelle speziell für Reisen auswählte, kommen 5 Instrumentalisten und 2 Sänger zusammen, um das Herrscherlob Lassos zu neuem Leben zu erwecken. Dabei wird das außergewöhnliche Organo di Legno von Walter Chinaglia verwendet, das ermöglicht, den verloren geglaubten Klang einer Renaissance-Kleinorgel wieder zu entdecken, der so bestimmend für die Klanglichkeit dieser ganzen Epoche war.
Der Protestant Heinrich Schütz ist eine zentrale Figur in der Rezeption der prachtvollen mehrchörigen Musik Venedigs. Weniger bekannt ist, dass katholische Komponistys seiner Zeit ihm kaum nachstanden in dieser Kunst. Giovanni Priuli war einer der ersten Venezianys, die am Kaiserhof in Wien die ganze Klangvielfalt instrumental-vokaler Chöre entwickelte. Dieser Prozess fand seine Fortsetzung in den Werken Johann Caspar Kerlls, der Priulis Grandeur mit einer besonderen Intensivität und harmonischen Reichheit kombinierte, die ihresgleichen sucht.
Die Ensembles InVocare und Siderea Musica agieren in großer Besetzung und bespielen in unterschiedlichen Formationen den ganzen Raum. Besonders wirkungsvoll ist in diesem Programm auch die Verwendung mehrerer Orgeln von Walter Chinaglia, die die Klangwelt Venedigs auch nördlich der Alpen wiederentstehen lässt.