Arbeitsfelder

Vielfalt und Abwechslungsreichtum prägen Robert Selingers künstlerische Beschäftigung. Als Musiker, Pädagoge und Kantor leiten Ihn aber auch verbindende Ideale in all seinen Tätigkeiten. Der respektvolle Umgang miteinander, offene Kommunikation auf Augenhöhe und das Streben nach dem besonderen Erlebnis, das Musik im besten Fall erfüllen kann, sind für ihn wesentliche Leitlinien.

Arbeitsweise

Wesentlich ist Robert Selinger immer die Auseinandersetzung mit einem Gegenüber. Nicht die Darstellung des Eigenen, sondern das Kennenlernen des zuerst Fremden faszinieren ihn. Dies kann sich in der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk, aber auch in der persönlichen Begegnung widerspiegeln. Hierin fühlt er sich der politischen Denkerin Hannah Arendt verbunden, die ihre Arbeitsweise treffend auf den Punkt bringt:

„Wenn ich ganz ehrlich sprechen soll, dann muss ich sagen: Wenn ich arbeite, bin ich an Wirkung nicht interessiert. Und wenn die Arbeit fertig ist, dann bin ich damit fertig. Wesentlich ist für mich: Ich muss verstehen. Worauf es mir ankommt, ist der Denkprozess selber. Wenn ich das habe, bin ich persönlich ganz zufrieden. Wenn es mir dann gelingt, es im Schreiben adäquat auszudrücken, bin ich auch wieder zufrieden.

Jetzt fragen Sie nach der Wirkung. Es ist das – wenn ich ironisch werden darf – eine männliche Frage. Männer wollen immer furchtbar gern wirken; aber ich sehe das gewissermaßen von außen. Ich selber wirken? Nein, ich will verstehen. Und wenn andere Menschen verstehen, im selben Sinne, wie ich verstanden habe – dann gibt mir das eine Befriedigung, wie ein Heimatgefühl.“

Hannah Arendt

Solo 

Die Möglichkeit, als Musiker an einem einzigen Instrument den ganzen Kosmos einer Komposition darzustellen, hat Robert Selinger früh begeistert. Im Zentrum seines Musizierens stehen die Auseinandersetzung mit Harmonien, Rhythmen und Klangfarben. Jeder einzelne Bereich ist ihm wesentlich und trägt zur Vielschichtigkeit und Ausdruckskraft einer Gesamtkomposition bei.  

Die klangliche Feinheit und herbe Schönheit des Cembaloklangs fasziniert Robert Selinger gerade in der Musik des 17. Jahrhunderts. Die füllhornartige Vielfalt rhetorischer Gesten und energetisch aufgeladener rhythmischer Figuren versucht er mit der Strenge und Klarheit des stetigen Taktus in eine komplexe Einheit zu gießen. Besondere Vorlieben hat er für die reichen Klangwelten von William Byrd, Girolamo Frescobaldi, Dieterich Buxtehude und Jean Henry d’Anglebert. 

Die Orgel zugleich als machtvolles Ungetüm und zart-empfindsamen Riesen zum Schwingen zu bringen, hat Robert Selinger schon früh begeistert und auf die dem Instrument innewohnende Widersprüchlichkeit aufmerksam gemacht. Der atemberaubende Wechsel zwischen der Möglichkeit, noch über das größte Orchestertutti hinweg die Strahlen der Klangkronen auszusenden und zugleich große Kathedralen mit dem zarten Hauch von Pastelltönen in Schwingung zu versetzen, lässt ihn weiterhin unentwegt nach Unbekanntem und Ungewöhnlichen in dieser Welt suchen. Sein Repertoire vernachlässigt die Musik der Tradition nicht, erweitert dies aber unbedingt um die Hörerfahrungen, die er besonders in den Werken Claude Viviers, Gilbert Amys, Anton Weberns, Richard Wagners und des Buxheimer Orgelbuchs gemacht hat. 

Schwanenberg Duo

Amy Shen, Violine
Robert Selinger, Tasteninstrumente

Lebendig-geistvolles Musizieren im Hier und Jetzt ist Markenzeichen des Schwanenberg Duos. Mit vielfältigen Kombinationen historischer Instrumente verführen Amy Shen und Robert Selinger ihr Publikum in neue musikalische Welten. Ihr reichhaltiges Repertoire, von Intavolierungen und Diminutionen über Continuo-Sonaten bis hin zu obligaten Duos mit Cembalo oder Fortepiano, bildet ihnen eine endlose Quelle für Entdeckungen. Ihre Programme erzählen Geschichten und Geschichte und bezaubern durch fast unerschöpfliche Klangnuancen stets aufs Neue.

Aktuelle Projekte sind eine Gesamtaufführung der Bachschen Sonaten für Violine und Cembalo, ein Blick in die Welt italienischer Virtuosen um 1744 in London sowie ein Programm mit österreichischen Violinsonaten, das mit historischen Barockorgeln musiziert wird. Zudem präsentiert das Schwanenberg Duo auch Konzerte und Workshops für Kindys, die auf große Begeisterung stoßen.

Siderea Musica 

Robert Selinger, künstlerische Leitung 

Siderea Musica widmet sich mit Leidenschaft bisher ungehörter Musik. Im Fokus der Arbeit steht dabei, dem Publikum Musik sinnlich und intellektuell zugleich erfahrbar zu machen. Wesentlich geht es um Lust auf das Neue, Unerwartete, das häufig im Alten verborgen liegt. So setzt sich Siderea Musica ausführlich mit Musik der Renaissance und der Frühen Neuzeit auseinander. Werke werden neu ediert, Quellen neu interpretiert, Klänge wiedergeboren, die lange vergessen waren. Der wichtigste Zugang ist dem Ensemble dabei, ein Kunstwerk aus sich selbst und dem Kontext seiner Entstehung zu erfassen, um diese vergangene Erfahrung für heutige Ohren neu entstehen zu lassen.  

Siderea Musica oder zu deutsch die sternprangende Musik setzt sich zugleich zum Ziel, die Welten von Wissenschaft und Kunst einander nahezubringen. In Anlehnung an Galileo Galileis Schrift Sidereus Nuncius, die ein Manifest der neuen, evidenzbasierten Zeit in der Wissenschaft darstellt, strebt das Ensemble danach, Erkenntnisse aus Kultur-, Geistes- und Naturwissenschaften in ihr Musizieren zu integrieren. Umfangreiche Kooperation und gemeinsame Entdeckerfreude in diesen Bereichen sind Siderea Musicas Muttersprachen. 

Lehrtätigkeit 

Die Ausbildung junger Menschys fordert Robert Selinger stetig aufs Neue heraus. Die Vermittlung eines selbstreflektierten, kritischen Denkens und zugleich leidenschaftlichen Musizierens ist eine komplexe Aufgabe. Respekt und Kollegialität sind ihm wesentlich, um Begegnungen auf Augenhöhe herzustellen. Sein Verständnis von Lehre speist sich zum einen aus der historischen Methode der Imitatio, dem nie stumpfen, sondern immer kritisch denkenden Nachahmen. Zum anderen folgt er den Ansätzen der Diskursanalyse und dem Vertrauen darauf, dass angstfreier Austausch zwischen Lehrendem und Lernendem ebenso schwer zu erreichen wie unbedingt notwendig sind.  

An der Universität Mozarteum Salzburg betreut Robert Selinger die Bereiche Kammermusik und historische Nebenfächer am Institut für Alte Musik. 

Kantorat  

Als Kantor der Schwabinger Kreuzkirche beschäftigt sich Robert Selinger zentral mit der Vermittlung von Musik. Das Musizieren in Laiengruppen, die Arbeit mit Menschys im Alter von 8 bis 88 Jahren und unterschiedlichster sozialer und ethnischer Herkunft eröffnen ihm das Erleben von wunderbarer Gemeinschaft und fördern das gegenseitige Verstehen, das für eine Gesellschaft insgesamt so wichtig ist. Die soziale und heilende Wirkung von Musik steht hier im Fokus seiner Aufmerksamkeit; zugleich strebt er danach, Hörende und Denkende immer wieder mit neuen Ideen und Verständnissen von Musik in Kontakt zu bringen.